Neurolues

Veröffentlicht: 21. April 2025
Zuletzt aktualisiert: 20. April 2025
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Georg Dirnberger

Dr. Georg Dirnberger

Priv.-Doz. Mag. Dr. Georg Dirnberger Facharzt für Neurologie & Psychologe

Eine freundliche ältere Dame hört Musik

Letztes Jahr wurde eine freundliche ältere Dame bei mir vorstellig. Sie käme zu mir, da sie nicht schlafen könne. Über Jahre hinweg wären nämlich ihre Nachbarn stets ruhige, angenehme Leute gewesen, bis plötzlich letzten Freitag um zwei Uhr Früh dröhnende Musik aus der Nachbarwohnung drang. Ohrenbetäubendes Trommeln, Orchester und Chöre. Sie habe versucht die Lärmbelästigung durch Klopfen an der Wand abzustellen, erst zögernd, dann aber kraftvoll, habe schließlich geschrien, gefordert das Getöse möge endlich aufhören – bis die Polizei kam.

Zu ihr.

Denn außer ihr konnte niemand irgendwelche Geräusche hören die aus der Nachbarwohnung gekommen wären. Für alle Hausbewohner, außer sie selbst, war ihr scheinbar anlassloses Toben, Schreien und Klopfen der einzige Lärm dieser Nacht gewesen.

Polizei und Rettung brachten die Patientin noch in derselben Nacht an die Psychiatrie. Dort wurde festgestellt, dass sie an akustischen Halluzinationen litt, sonst aber seelisch völlig gesund war. Die Ursache der Halluzinationen musste also eine neurologische Ursache haben: Aus irgendeinem Grund spielte ihr Gehirn nun permanent laute Musik.

Was ist Syphilis?

Syphilis ist eine durch das Bakterium Treponema pallidum verursachte sexuell übertragbare Erkrankung. Sie wird durch sexuellen Kontakt mit infektiösen Läsionen, durch Bluttransfusionen oder kongenital von einer schwangeren Frau auf ihren ungeborenes Kind übertragen.

Die Übertragung durch sexuellen Kontakt ist am Häufigsten. Hierbei dringen die Erreger durch Mikroläsionen in die Schleimhaut oder Haut ein. Bei einem einmaligen ungeschützten sexuellen Kontakt beträgt das Übertragungsrisiko zwischen 30 und 60%. Hämatogene oder kongenitale Übertragungen sind in Mitteleuropa selten.

Erkrankungsphasen

Frühphase der Syphilis

Wenige Wochen nach der Infektion tritt an der Inokulationsstelle – meist an den Genitalien oder am Mund – ein schmerzloses, derbes Geschwür auf. Unbehandelt heilt dieser sogenannte Primärkomplex nach vier bis sechs Wochen spontan ab.

Spätphasen der Syphilis

Es gibt etliche aufeinanderfolgende späte Phasen. Hier werden nur Formen der im Kontext der Neurologie relevanten Neurolues besprochen, die bei unbehandelten Patienten nach Jahren bis Jahrzehnten auftreten können. Es gibt mehrere Formen:

  • Die Tabes dorsalis ist durch plötzlich einschießenden Schmerz, Gangunsicherheit (sensorische Ataxie), Pupillenstarre (Argyll-Robertson-Zeichen) und Optikusatrophie (eine Ausdünnung des Sehnerven) gekennzeichnet.
  • Bei der syphilitischen Meningitis finden sich Kopfschmerz, Schwindel, Sehstörungen, intrakranielle Drucksteigerung und zahlreiche weitere neurologische Symptome.
  • Bei der progressiven Paralyse dominieren Kopfschmerzen, ausgeprägte Persönlichkeitsveränderungen, Halluzinationen, Sprachstörungen, Krämpfe, Demenz sowie Schlaganfälle.

Die oben beschriebene Patientin litt – so zeigten Labortests des Blutes – an einer Neurolues mit akustischen Halluzinationen.

Eine unbehandelte progressive Paralyse endet nach 4 bis 5 Jahren tödlich.

Therapie der Neurolues

Die Neurolues ist durch mehrwöchige Gabe von Antibiotika gut zu behandeln. Bei der beschriebenen Patientin konnte die Musik durch das Medikament bald abgestellt werden, auch sonst trug sie keinen bleibenden gesundheitlichen Schaden davon.

Das Verhältnis zu den Nachbarn, so erzählte sie beim Kontrolltermin, habe sich kitten lassen.

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