Migräne ist eine häufige, anfallsartig auftretende Form des chronischen Kopfschmerzes. Typisch für Migräne sind einseitig pulsierende Schmerzen mittlerer bis hoher Intensität in den vorderen Kopfabschnitten, begleitet von Übelkeit, Lärm- oder Lichtscheu. Bei manchen Patienten tritt vor dem Schmerz eine passagere Störungen des Sehens, Spürens oder Sprechens auf – eine sogenannte Aura. Migräne ist heute durch spezielle Medikamente gut zu behandeln.
Was ist Migräne?
Migräne (von französisch migraine, altgriechisch ἡμικρανία hēmikranía, deutsch ‚Schmerz an einer Kopfseite‘) ist eine neurologische Erkrankung mit wiederkehrenden heftigen einseitigen Kopfschmerz-Attacken, meist pulsierend-pochend und nahe der Stirne, die von weiteren belastenden Symptomen begleitet werden.
Etwa 10 % der Bevölkerung leiden an Migräne. Migräne tritt meist bei jungen Erwachsenen auf und ist bei Frauen dreimal so häufig auf wie bei Männern. Körperliche Belastung verstärkt die Symptome, weshalb Betroffene oft Bettruhe einhalten müssen. Migräne kann die Lebensqualität erheblich einschränken.
Typische Symptome bei Migräne
Es gibt zwei Formen der Migräne: Migräne ohne Aura und Migräne mit Aura.

Migräne ohne Aura
Die Migräne ohne Aura ist mit etwa drei Viertel die häufigste Form der Migräne. Von einer Migräne ohne Aura wird gesprochen, wenn mindestens fünf Attacken auftraten, bei denen jeweils mindestens zwei der folgenden vier Hauptkriterien erfüllt sind:
- Hemikranie (einseitiger Schmerz am Kopf)
- eher starke Schmerzintensität
- pulsierender oder pochender Schmerzcharakter
- Verstärkung durch körperliche Aktivität
Der Kopfschmerzphase darf keine Aura vorangehen. Außerdem muss zusätzlich mindestens ein vegetatives Symptom, also Übelkeit, Erbrechen, Lärm- oder Lichtscheu, vorhanden sein.
Der Migräne-Schmerz ist meist halbseitig und pulsierend, er kann unbehandelt vier Stunden bis drei Tagen andauern. Die Häufigkeit der Begleitsymptome ist unterschiedlich: Appetitlosigkeit (> 80 %), Übelkeit bzw. Erbrechen (80 %), Lichtempfindlichkeit (60 %), Geräuschempfindlichkeit (50 %) und Geruchsempfindlichkeit (< 30 %) können auftreten.
Migräne mit Aura
Etwa ein Viertel der Betroffenen leidet an Migräne mit Aura und zeigen zusätzlich vor Schmerzbeginn reversible neurologische Symptome, eine sogenannte Aura:
- Sehstörungen
- Gefühlsstörungen wie Kribbeln
- Wahrnehmungsveränderungen – Dinge erscheinen anders als sonst
- Schwindel
- Sprachstörungen
- Hörstörung
- motorische Störungen (Ungeschicklichkeit, Lähmungen)
Jede Aura beginnt und vergeht allmählich. Sie beginnt maximal eine Stunde vor dem Migräneanfall, dauert zwischen fünf und 60 Minuten und hinterlässt nie bleibende Schäden.
Visuelle Auren wie einseitiges Augenflimmern, Gesichtsfeldausfälle auf einer Seite, Lichtblitze, Wahrnehmen von bunten, schillernden, gezackten Linien oder – seltener – vorübergehende einseitige Blindheit, sind die Häufigsten. Sensorische Auren wie nadelstichartige Missempfindungen sind die Zweithäufigsten.
Phasen im Verlauf einer Migräne-Attacke
Prodromalphase
Etwa ein Drittel der Erkrankten empfindet in einer Prodromalphase Veränderungen, die einer Migräne-Attacke Stunden bis zwei Tage vorausgehen, nehmen aber noch keine Aura wahr und verspüren auch noch keinen Schmerz. Die Prodrome dauert meist ein bis zwei Stunden und kann auch mal ausbleiben. Die Symptome sind von Mensch zu Mensch verschieden, typisch sind:
- Erschöpfung
- häufiges Gähnen
- veränderte Stimmung
- veränderter Appetit
- Durst
- Harndrang
- Verstopfung
Auraphase
Migräne geht bei etwa einem Viertel der Betroffenen mit einer Aura einher. Häufig sind visuelle, einseitig betonte Erscheinungen wie Skotome („blinde Flecken“), Fortifikationen (gezackte Muster), Verlust des räumlichen Sehens und unscharfes Sehen, weniger häufig Sensibilitätsstörungen wie Kribbeln an den Armen, Beinen und im Gesicht. Seltener können Störungen des Geruchsempfindens, des Gleichgewichts oder des Sprechens auftreten.
Charakteristisch für Migräneauren ist die Dynamik des Prozesses, beispielsweise ein „Wandern“ des Flimmerskotoms über das Gesichtsfeld oder Wandern des Kribbelgefühls über die einzelnen Finger. Die Aura wird von Mensch zu Mensch verschieden wahrgenommen. Die Aura-Symptome setzen langsam ein und verschwinden immer vollständig. Eine Verschiebung der Aurasymptome, beispielsweise von Seh- über Sensibilitäts- bis hin zu Sprachstörungen, ist möglich.
Migräne-Attacke
Sie ist das, was die meisten Menschen unter Migräne verstehen. Die Betroffenen spüren Schmerzen meist – in etwa etwa 70 % der Fälle – auf nur einer Seite des Kopfes, üblicherweise im Bereich von Stirn, Schläfe und Auge. Der Schmerz ist in der Regel pulsierend, dauert unbehandelt vier Stunden bis drei Tage und und nimmt bei körperlicher Betätigung zu, während Ruhe und Dunkelheit zur Linderung führen. Begleitende vegetative Symptome sind Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Lichtscheu, Lärmempfindlichkeit und Geruchsempfindlichkeit.
Auflösungsphase
In der Auflösungsphase nehmen Migräneschmerz und Begleitsymptome langsam ab. Der Patient fühlt sich weiterhin müde und angespannt. Diese Phase kann bis zu 24 Stunden dauern.
Erholungsphase
Die Betroffenen sind auch nach Schmerzende angeschlagen und fühlen sich „verkatert“. Die Symptome ähneln denen der Prodromalphase.
Spezielle Formen der Migräne
Weitere seltene Formen der Migräne auf die ich hier nicht im Detail eingehe sind:
- Familiäre Hemiplegische Migräne
- Sporadische Hemiplegische Migräne
- Migräne vom Basilaristyp
- Abdominelle Migräne
- Retinale Migräne
- Status migränosus
Auslöser von Migräne
Bei manchen Menschen werden Attacken durch sogenannte Trigger ausgelöst. Trigger beschreiben Situationen, die es wahrscheinlicher machen, dass Betroffene bald eine Attacke erleiden. Zu den häufigen Triggern gehören:
- hormonelle Schwankungen
- grelles Licht
- Lärm
- Wettereinflüsse
- Unregelmäßigkeiten des Tag-Nacht-Rhythmus
- Stress und Ärger
- unregelmäßiges Essen
- Alkohol
- Inhaltsstoffe bestimmter Lebensmittel
Migräne-Attacken können zudem durch Kopfverletzungen, Nackenschmerz oder Kiefergelenkserkrankungen ausgelöst werden.
Wer Tagebuch über seine Migräne-Attacken führt, kann seinen individuellen Triggern auf die Spur kommen und sie meiden. Hormonelle Schwankungen sind bei Frauen einer der wichtigsten Triggerfaktoren. Bei über der Hälfte aller Migränepatientinnen ist der Menstruationszyklus ein Auslöser.
Früher wurde vermutet, dass auch Schokolade und Käse potente Trigger der Migräne sind – doch heute weiß man, dass Heißhunger auf solche hochkalorische Speisen ein Frühsymptom einer Migräne-Attacke darstellen kann und bereits zur Attacke gehört.
Ursachen von Migräne
Die Ursachen der Migräne sind noch nicht restlos geklärt. Nach bisherigem Wissensstand spielt eine Kombination von vaskulären (die Blutgefäße betreffenden) Ursachen, Übererregbarkeit von Teilen der Großhirnrinde, neurogener (von Nervenaktivität ausgelöster) Entzündung und genetischen Faktoren bei der Entstehung von Aura und Schmerz eine Rolle.
Diagnose der Migräne
Die Diagnose wird üblicherweise auf Basis der Beschwerden gestellt und erfolgt durch eine detaillierte Befragung des Patienten mit Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese). Das Führen eines Kopfschmerztagebuchs in dem alle Symptome genau eingetragen werden kann die Diagnose erleichtern. Eine genaue neurologische körperliche Untersuchung (Status) trägt ebenfalls zur Diagnosefindung bei.
Laboruntersuchungen und apparative Untersuchungen (z.B. Magnetresonanztomographie des Gehirns) sind nicht immer erforderlich, werden aber erhoben, wenn andere Erkrankungen zweifelsfrei ausgeschlossen werden sollen und können auch bei Veränderungen einer bekannten Migräne – z.B. häufigere Attacken – hilfreich sein.
Therapie der Migräne
Grundsätzlich ist die Behandlung bei beiden Migräne-Formen – mit und ohne Aura – dieselbe.
Die Leitlinien zur Therapie von Migräne der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Neurologie empfehlen, bei akuten Attacken möglichst früh Medikamente einzusetzen. Der Grund: Zum einen ist bei Migräne der Schmerz typischerweise stark, der Leidensdruck daher hoch, zum anderen gilt: je früher der Zeitpunkt der Einnahme, desto besser die Wirkung.
Etablierte Migräne-Schmerztherapien
Bei leichten bis mittleren Migräneanfällen helfen herkömmliche Schmerzmittel, sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Acetylsalicylsäure („Aspirin“), Paracetamol oder Ibuprofen, meist gut. Üblich sind Tabletten. Eine Kombination aus Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Koffein ist bei manchen Patienten wirksamer als die Einzelsubstanzen. Auch Mutterkornalkaloide wie Ergotamin werden eingesetzt, haben jedoch seit der Einführung der Triptane wegen oft geringerer Wirksamkeit und häufigerer Nebenwirkungen ihre frühere Bedeutung verloren.
Moderne Migräne-Schmerztherapien
Bei schwereren Migräne-Attacken sind Triptane meist die wirksameste Option. Diese speziellen Migräne-Medikamente wirken auf Serotonin-Rezeptoren der Blutgefäße im Gehirn und bringen die während einer Attacke erweiterten Gefäße dazu, sich wieder verengen. Außerdem dämmen Triptane die Freisetzung entzündungsauslösender Peptide ein. Triptane werden auch als Suppositorien, Nasensprays und Injektionen zur subkutanen Anwendung angeboten.
Eine weitere neue Wirkstoffgruppe, die Calcitonin-Gene-Related-Peptide-Rezeptorantagonisten (Gepante), kann verhindern, dass gefäßerweiternde Peptide überhaupt gebildet werden indem sie antagonistisch die Rezeptoren dafür blockieren.
Behandlung der Übelkeit
Die häufig begleitende Übelkeit wird mit Antiemetika oder Prokinetika wie Metoclopramid oder Domperidon behandelt. Die Kombination solcher Präparate mit einem Schmerzmedikament kann sinnvoll sein, da so nicht nur die Übelkeit beseitigt wird sondern zugleich die Aufnahme des Schmerzmedikaments gefördert wird.
Zusammenfassendes zur medikamentösen Therapie der Migräne
Gegen jedes Medikament gibt es Kontraindikationen, das heißt Diagnosen bzw. Konstellationen, die der Gabe des Medikaments entgegenstehen können. Bei NSARs ist dies beispielsweise eine Gastritis, speziell bei Aspirin Asthma, bei Triptanen sprechen Erkrankunen der Blutgefäße wie Herzinfarkt oder Schlaganfall gegen eine Gabe.
Etliche Präparate können nicht nur als Tabletten geschluckt sondern auch – um eine schnellere Wirksamkeit zu erreichen – per Nasenspray appliziert oder vom Patienten selbst unter die Haut gespritzt werden. Alle Medikamente zur Behandlung von Migräne-Attacken dürfen freilich nicht zu oft pro Monat verabreicht werden, andernfalls ist die Gefahr schädlicher Nebenwirkungen zu groß.
Prophylaxe der Migräne
Nicht-medikamentöse Prophylaxe
Im Vorbeugen von Attacken zeigen sich Verhaltenstherapie, progressive Muskelentspannung, maßvoller Sport und Akupunktur wirksam. Leider wirkt nicht jede Maßnahme bei jedem Patienten.
Medikaentöse Prophylaxe
Wenn Migräne-Attacken häufiger als drei Mal pro Monat auftreten oder schwer behandelbar sind, ist eine medikamentöse Prophylaxe überlegenswert. Eine solche Prophylaxe erfolgt mit einem Präparat, das regelmäßig verabreicht wird und dann die Häufigkeit weiterer Migräne-Attacken deutlich reduzieren.
Klassische Medikamente zur Migräneprophylaxe sind Betablocker, Kalziumantagonisten und das trizyklische Antidepressivum Amitryptilin, seltener Antikonvulsiva wie Valproat, Topiramat oder Lamotrigin. All diese etablierten Medikamente werden als Tabletten täglich eingenommen.
Modernere Medikamente zur Prophylaxe sind spezielle monoklonale Antikörper. Eine Gruppe solcher Antikörper richtet sich gegen Calcitonin Gene-Related-Peptide (CGRP), ein Peptid mit blutgefäßerweiternden Eigenschaften, das an der Entstehung von Migräne-Attacken beteiligt ist. Diese moderne Prophylaxe wird alle vier Wochen vom Patienten selbst unter die Haut gespritzt. Bevor solche modernen Medikamente zur Migräneprophylaxe verschrieben werden können, muss zuvor mindestens eine der etablierten Tabletten-Prophylaxen versucht werden und scheitern, manchmal auch mehrere.
Botulinumtoxin („Botox“), ein Toxin das die Verkrampfung von (Gefäß)muskeln vermindert, kann ebenfalls bei der Prophylaxe chronischer Migräne helfen.
Mit Migräne assoziierte Erkrankungen
Migräne-Patienten haben ein erhöhtes Risiko, an einer Reihe weiterer Krankheiten zu leiden. Dies sind unter anderem:
- Epilepsie
- Schlaganfall
- Herzerkrankungen
- Depression
- Angststörungen
Insbesondere Migräne mit Aura ist mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden.
Wann soll ich zum Neurologen gehen?
Bei erstmaligen, ungewöhnlich starken oder tagelangen Kopfschmerzen sollten Sie jedenfalls zum Neurologen gehen, gleichfalls wenn Schmerz von Bewusstseinsstörungen, Fieber, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen, Sehstörungen, Hörstörungen, Kribbeln, Taubheitsgefühl oder hohem Blutdruck begleitet ist.
Ich empfehle, bei Kopfschmerzen und Migräne nicht auf eigene Faust Schmerztabletten einzunehmen. Die richtigen, für Sie persönlich wirksamsten Medikamente kann nur der Neurologe nach einer eindeutigen Diagnose verschreiben, wobei nur beim Neurologen vorher andere gefährlichere Erkrankungen ausgeschlossen werden können.